Über Gott, Adam und ein kleines Kamel

Der Wiesbadener Künstler Marc Ruske interpretiert malerisch den Schöpfungsakt. David Best traf ihn bei Zitronentee und Kirschomelett.



DB: Wie kamst Du auf den Titel Deiner Ausstellung?

Erstmal grundsätzliches zur Ausstellung: Ich habe die Thora, das alte Testament und den Koran hinsichtlich der Rollenverteilung der Geschlechter innerhalb des Schöpfungsmythos reflektiert. Alle drei Werke beinhalten verschiedene Variationen der Geschichte von Adam, Eva und Lilith als erste Menschen eines Herrn. In einer Gegenüberstellung entstehen sehr interessante Einblicke, wo die Überlieferungen jeweils verfremdet wurden. Für mich hat sich herausgestellt, daß das Psychogramm von Gott dem Herrn in der frühen Anfangsphase typisch pubertär war. Er nahm die Rolle des Allmächtigen ein und verdammte all diejenigen, die sich ihm nicht fügten. Auch seine Vorstellungen von Mann und Frau finde ich furchtbar unreif. Diese Vorstellungen sind leider heute noch allseits aktuell, d.h. wir leben gewissermaßen in einem ethisch unreifen Umfeld, sozusagen in der faulen Frucht der Pubertät eines Herrgottes.

DB: Ein Bild von Dir zeigt das blutverschmierte Gesicht von "Lilith" – welche Rolle spielt sie?

Gott schuf eine Frau aus dem gleichen Stoff wie Adam selbst, aus Erde und Odem. Ihr Name war Lilith. Adam war jedoch nicht fähig, sie zu „erkennen“, d.h. zu begatten. Lilith wollte nicht untertänig sein und war für Adam so wie es scheint schlicht zu heftig. So ging Adam zu Gott und bat ihn wohl um Hilfe, sodaß sie sich gefälligst gefügiger verhalte. Dieser setzte Lilith unter Druck, indem er ihr drohte, ihre ersten Kinder sterben zu lassen. Doch sie widersetzte sich. Gott verbannte sie dafür aus dem Paradies; Lilith wurde fortan als Kindesmörderin bezeichnet. Unglaublich! Ich stelle mir die Frage, wieso Gott nicht stattdessen Adam über die Geschlechterproblematik aufgeklärt hat! Er hatte es wohl selbst noch nicht verstanden. Auch die Unreife Gottes, andere Ansichten nicht zuzulassen, halte ich für absolut pubertär. Ein Meister ist doch stets auch Schüler seines Werkes. Lilith ist das erste Bild meiner Arbeit. Ich habe Ihr ein großes, blutverrotztes Gesicht gemalt, die Wüste im Hintergrund. Um nach dieser brutalen Verdammnis meine Loyalität zu zeigen, habe ich mich als ein kleines Kamel in der Wüste an meine Signatur gefügt.

DB: Wie sind Deine Werke entstanden?

Grundsätzlich habe ich meinem Bauch und dem Zufall Platz gelassen, bin gleichzeitig aber auch inhaltlich sehr konzeptionell und theoretisch vorgegangen. Durch das viele Nachdenken und Recherchieren kam stellenweise das freie Malen arg kurz. Es entstand eine art Stau, welcher sich beim malen des Paradieses, eines der letzten Bilder, am heftigsten entlud. Das hat extrem gut getan. Mir war es wichtig eine Brücke schlagen zwischen völlig intuitiver, impulsiver Arbeit und konzeptioneller und inhaltlicher Konsequenz.

DB: Du verwendest unterschiedliche Maltechniken, aber Stilmittel wie Zahlen und Schriftzüge sieht man auf fast allen Deinen Bildern.

Ja, die Essenz der Bilder wollte ich in Worten ausdrücken, die jeder versteht. So bin ich zum sog. pidgin english, das mit einem Minimalwortschatz und Bauklotz-Grammatik funktioniert, gekommen. Die Zahlen haben immer eine Bedeutung. Ich habe z.B. Lilith die Zahl 13 verpasst, die das Unvorsehbare, Unkontrollierbare symbolisiert. In unserer Kultur wird der 13 aus Angst oftmals pauschal das Unglück zugeschoben. Ich sehe da eine Verbindung zum Problem, daß heute die Rollenmodelle und die daraus entstehenden Werte der Schöpfungszeit immer noch vorhanden sind.

Ich glaube, daß Gott der Herr mittlerweile seine Pubertät längst hinter sich hat und mit der Sucht der Menschen nach Dominanz und Unterwürfigkeit nichts mehr anzufangen weiß. Auch die Schöpfung ist in ihrem Lernprozeß auf uns angewiesen. Das ist keine Blasphemie. Es ist eine Form von Liebe, wenn man sich dem Mist nicht einfach unterwirft, sondern ehrlich weiterforscht. So erst entsteht für mich eine echte Freundschaft zwischen uns und der Schöpfung.

DB: Alle Hauptfiguren Deines Werkes sind Teil der Genese, auch Eva. Sie ist gesichtslos. Eve also als Gegenmodell zu Lilith?

Naja... Eva wurde aus der Rippe Adams geschaffen, sozusagen aus seinen Erwartungen heraus. Ich malte sie in leicht gebückter Demutshaltung, eher einfach und ohne Gesicht. Ich würde Sie gerne frei sehen, was ich mit dem Bild disbond zeige. Es ist interessant, daß im alten Testament steht, Gott schuf den Menschen als Mann und Frau, einige Psalme später jedoch gesagt wird, daß der Mann nicht alleine im Paradies leben solle, und ihm deshalb eine Frau erschaffen würde. Auf jeden Fall ist Lilith in der Thora die erste Frau. Eva ist für mich eher eine Arierin oder Barbie-Puppe, welche geduldig und fügig ihre Aufgabe als Frau des Mannes ausübt. Lilith ist eine stolze Lady. Ein kleiner Teil dieser starken Weiblichkeit ist wohl noch in Eva übriggeblieben, sonst hätte sie Adam nicht dazu überredet, den Apfel der Erkenntnis zu kosten. Das spricht finde ich für die stille Sehnsucht des Mannes nach einer eigenständigen, mutigen und gefährlichen Frau.

DB: Würdest Du Dich selbst als Feminist bezeichnen?

Nein. Ich liebe lediglich die entfaltete Weiblichkeit und verachte die faule und feige Haltung des plumpen Mannes. Das ist auch für mich eine ganz schöne Herausforderung.

DB: Vielen Dank

Danke auch